Hätte man es ihr heute morgen bei der Verfassung gesagt- sie hätte es wohl selbst nicht glauben können! Julia Krajewski wird in zwei spannenden Springprüfungen zur überragenden Einzel-Olympiasiegerin mit ihrer Amande de B’Neville.
Für die Mannschaft legten sich alle drei deutschen Paare noch einmal richtig ins Zeug und lieferten drei Nullrunden ab- perfekt! Leider wogen die Minuspunkte vom gestrigen Geländetag zu schwer, mehr als Platz vier konnte das deutsche Team nicht mehr erreichen. Mit insgesamt -114,2 belegten sie damit den etwas undankbaren Rang hinter den Medaillenträgern.
Überragend konnte das Team Großbritanniens, trainiert von Chris Bartle, mit dem niedrigsten Score von Olympischen Spielen von -86,3 die Goldmedaille gewinnen. Nach drei Nullrunden innerhalb der Bestzeit im Gelände konnten sich Laura Collett mit London und Oliver Townend mit Ballaghmor Class jeweils einen Abwurf erlauben, ohne auch nur annähernd den Mannschaftssieg zu gefährden. Der dritte Reiter im Bunde war Tom McEwen mit Toledo de Kerser, der fehlerfrei blieb.
Für Australien gingen Andrew Hoy mit Vassily de Lassos, Shane Rose mit Virgil und Kevin McNab mit Don Quidam erfolgreich an den Start, sie gewinnen mit nur einem Abwurf durch Shane Rose die Mannschafts-Silbermedaille vor dem Team Frankreichs.
Christopher Six brachte mit Totem de Brecey eine Nullrunde ins Ziel, so wie auch Nicolas Touzaint mit Absolut Gold. Karim Laghouag und Triton Fontaine unterlief der einzige Abwurf für das Team, Mannschaftsbronze die wohlverdiente Belohnung für diese konstante Teamleistung.
Mit ihrer Nullrunde hat sich Julia Krajewski an die Spitze des Feldes geritten, nachdem Oliver Townend und Ballaghmor Class einen Abwurf zu verzeichnen hatten.
Für Sandra Auffarth reichte auch die Nullrunde nicht mehr, um sich unter den besten 25 zu platzieren. Sie beendet die Olympischen Spiele in Tokyo mit Viamant du Matz auf Platz 31 und qualifizierte sich damit nicht mehr für das Springen der Einzelentscheidung.
Dies gelang aber Michael Jung mit Leichtigkeit, der sich mit Chipmunk FRH durch die Nullrunde noch auf den achten Platz vorarbeiten konnte.
Der Parcours wurde für die Einzelmedaillenentscheidung noch einmal etwas verkürzt, die Hindernisse höher gebaut. Der Franzose Nicolas Touzaint war der erste Reiter, der diesen Parcours fehlerfrei überwinden konnte, dadurch wird er im Endergebnis Sechster.
Für Michael Jung ging es bei seinem Ritt darum, sich eventuell doch noch in die Nähe einer Einzelmedaille zu bringen. Alles sah nach einer ganz souveränen Runde aus, Chipmunk sprang vermögend und sicher- und doch- am vorletzten Sprung fiel die so ärgerliche Stange. Es hätte aber auch ohne den Abwurf nicht zu einer Einzelmedaille gereicht, Platz 5 wäre es ohne Fehler geworden. Ohne die sehr umstrittenen 11 Minuspunkte des gestern gebrochenen Mim- Sicherheitspins hätte es für ihn sogar zu Gold gereicht. Aber- er beendet seine dritten Olympischen Spiele nach zwei Mal Einzelgold mit Sam nun mit Platz 8 in der Einzelwertung.
Und dann wurde es so richtig spannend. Die Entscheidung um die Medaillen rückte immer näher. Die Britin Laura Collett war noch ganz in der Nähe, und konnte noch ein Wort mitreden. Doch dann fielen ausgerechnet auf der Schlußlinie zwei Stangen- Platz 9 in der Endabrechnung. Dem Franzosen Christopher Six unterlief ein ärgerlicher Abwurf, was für ihn am Ende Platz 7 bedeutet.
Riesiger Jubel, als der Japaner Kazuma Tomoto, der sich mit William Fox-Pitt intensiv auf die Olympischen Spiele in der Heimat vorbereitet hatte, mit Vinci de la vigne nur eine Sekunde über der Zeit den Parcours beendet und letztendlich auf Platz 4 nur knapp an einer Einzelmedaille vorbeischrammt.
Andrew Hoy und Vassily de Lassos traute man schon im Vorhinein viel zu. Aber was der 62-jährige Reiter da bei seinen achten Olympischen Spielen im Sattel ablieferte, ist kaum in Worte zu fassen. Vier Prüfungen in stilistischer Perfektion, allesamt ohne Minuspunkte sicherten im letztendlich auch die Einzel-Bronzemedaille mit -29,6.
Doch das wurde erst wenig später klar. Denn noch standen noch drei Reiter auf der Starterliste. Der nächste war der junge, aber hoch erfahrene Brite Tom McEwen mit seinem Toledo de Kerser. Nach einer hervorragenden Parcoursrunde kurzes Zittern- die Zeit hatte nicht ganz ausgereicht. Aber – die eine Sekunde brachte nur -0,4 auf sein Konto, das reichte noch ganz knapp, um vor Andrew Hoy zu bleiben. Die sichere Einzelmedaille für ihn!! Aber welche Farbe würde sie haben?
Der Brite Oliver Townend hatte heute morgen noch in Führung gelegen, büßte diese aber durch einen Abwurf im Mannschaftsspringen ein und startete als Vorletzter in das alles entscheidende Springen. Er hatte es nun in der Hand, sich die Einzelmedaille mit seinem Ballaghmor Class abzuholen, nachdem er mit der Mannschaft so überragend die Goldmedaille gewonnen hatte. Doch ein früher Abwurf machte den Traum zunichte, -0,8 aus der Zeit kamen hinzu und brachten ihn letztlich auf Platz 5 im Endklassement.
Jetzt lag es in der Hand von Julia Krajewski und Amande de B’Neville, den Sack zuzumachen. Mit dem Championatsfluch im Nacken muss der Druck in den vergangenen Tagen unermesslich gewesen sein- und sie hatte ihm bisher so nervenstark getrotz. “Mandy” sprang schon in der ersten Runde überragend, keine Spur von Müdigkeit. Julia ritt sie hochkonzentriert, in gutem Grundtempo mit immer sicheren Distanzen am Sprung. Das konnte was werden!
Und es wurde was! Mit einer nochmal hochkonzentrierten Runde ohne eine einzige Unsicherheit oder einen Kontakt zu einer Stange sprang Mandy in überragender Qualität nach Hause, sie galoppierten über die Ziellinie und kührten sich zu den Olympiasiegerinnen 2021 in Tokyo. Noch dazu konnte Julia sich damit selber zur ersten Olympischen Siegerin der Vielseitigkeit machen (fairerweise dazu gesagt- nachdem Bettina Hoy ja bekanntlich 2004 ihr Einzel- und Mannschaftsgold am grünen Tisch verloren hatte). Die eine Sekunde der Zeitüberschreitung sei der Vollständigkeit halber erwähnt, schmälert aber nichts an dem herausragenden Erfolg.
Nach den Olympiasiegen von Hinrich Romeike 2008 und Michael Jung 2012 und 2016 kann Julia damit die Siegesserie der Deutschen aufrecht erhalten.
Tränen der Freude und Erleichterung flossen über ihr Gesicht, bevor sie dann in der Siegerehrung zurecht über das gesamte Gesicht strahlen konnte (als die Medaillenträger dann kurzzeitig die Masken fürs Foto absetzen durften).
Die ersten Worte der frisch gebackenen Olympiasiegerin: “Wahnsinn, ich kann mit Sicherheit sagen, ich habe es noch nicht richtig realisiert, was das jetzt heißt. Ich bin einfach unfassbar stolz auf mein Pferd und glücklich das geschafft zu haben. Und da ist ein ganz großes Gefühl von Dankbarkeit an all die Leute, die immer an mich geglaubt haben und hinter mir stehen. Mein Handy explodiert gerade. Irgendwie ist es ein riesiges Gefühl so eine Medaille gewonnen zu haben für Deutschland und für alle, die immer an mich glauben. Mandy ist bekannt dafür ein bisschen stutig zu sein, die war als ich mich das erste Mal drauf gesetzt habe, schon ein bisschen am Bocken und hat sich gut angefühlt und ist die zweite Runde fast noch besser gesprungen als die erste. Sie hat mir ein unheimlich viel Sicherheit gegeben, ich hatte fast das Gefühl, sie weiß worum es geht heute und hat alles für mich gegeben. Die Medaille gehört genauso meinem Pferd wie mir. Ich bin einfach unheimlich stolz, das hier so abgeliefert zu haben.” (Quelle: fn-press)
“Ich bin stolz, stolz mit einer Goldmedaille abzutreten, ohne Frage! Auch wenn es jetzt nicht so hingehauen hat mit dem Team, da hatten wir uns natürlich mehr erhofft. Aber ein bisschen Glück gehört auch dazu. Wir hatten, glaube ich, die richtigen Paare hier, aber am Geländetag nicht das nötige Glück, wenn ich an Michi denke. Aber so ist der Sport. Aber einen versöhnlicheren Abschluss als heute – mit dem Team Vierter und Julia gewinnt – hätte es nicht geben können für uns.”(Quelle: fn-press)
Michael Jung: „Das Ziel war null und schnell zu sein, ich hatte nur die eine Chance, die anderen ein bisschen unter Druck zu setzen, das ist jetzt nicht ganz aufgegangen, das ist natürlich ärgerlich, ich weiß jetzt nicht, was das ohne den Fehler gegeben hätte. Aber wir haben eine deutsche Siegerin, da können wir überglücklich sein. Durch die knappe Zeit musste man sehr vorwärts reiten, das wurde mir dann auch zum Verhängnis in der Kombination. So ist der Sport. Bilanz: Das war alles nicht so ideal. Alles nicht nach Plan. Chipmunk ist ein tolles Pferd, er hat alles richtig gemacht die ganzen Tage. Das nötige Glück braucht man eben auch. Die letzten Male hatte ich das, jetzt hat es jemand anderes gehabt. Jetzt bin ich natürlich enttäuscht, aber wir kämpfen weiter. Es ist jetzt so wie es ist. Julia hat zwei klasse Runden gehabt, war gestern auch schon toll im Gelände. Das war bilderbuchmäßig. Auch hier die letzte Runde unter Zeitdruck nochmal hat sie das Pferd richtig galoppieren lassen. Das hat sie wunderbar gemacht. Ein verdienter Sieg auf jeden Fall!” (Quelle: fn-press)