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Ohne sie geht nichts in der Vielseitigkeit: Peter Janssen und ,,seine“ Rechenstelle

Zumindest in der Vielseitigkeitssaison von etwa Ende März bis in den Oktober hinein, sind auf dem Handy oder dem PC von vielseitigkeitsbegeisterten Menschen nicht selten mehrere Tabs dieser eher schlichten und doch so zentralen Website ständig geöffnet und werden an den Wochenenden häufig im Minutentakt aktualisiert. Gemeint ist die Website rechenstelle.de, deren Team in Deutschland, aber auch weltweit einer der bekanntesten Dienstleister für den administrativen Teil von Vielseitigkeitsveranstaltungen ist.

Alles fing Mitte der 1980er Jahre im rheinischen Goch damit an, dass Peter Janssen sich häufig darüber ärgerte, dass die Ergebnisse von Fahrturnieren, an denen er aktiv teilnahm, erst Tage nach dem Turnier verfügbar waren. Sein Sohn Peter Junior besaß zu der Zeit bereits einen Commodore 64, einen der ersten weit verbreiteten Heimcomputer. Diesen benutzte Vater Peter dann kurzerhand, um eine Software für die Berechnung von Turnierergebnissen für Fahrturniere zu programmieren. Als diese Software im Rheinland nach und nach immer beliebter wurde, kam Heinrich Rühl, damals Mitarbeiter des Pferdesportverbandes Rheinland, auf Peter Janssen zu und fragte ihn, ob er sich nicht auch vorstellen könne, ein Programm für die Vielseitigkeit zu schreiben. Während in den ersten Jahren mal hier und dort mit dem Programm gearbeitet wurde, kam schnell Interesse an der übersichtlichen und fortschrittlichen Software auf, sodass sich das Einsatzgebiet rasch über die Grenzen des Rheinlandes hinaus vergrößerte.

Anfang der 1990er Jahre wollte der Verein in Kamp-Lintfort ebenfalls Peter Janssen für sein Vielseitigkeitsturnier buchen, jedoch kam diesem ein beruflicher Termin dazwischen, sodass Theo Nothofer vom RV Seydlitz Kamp nach kurzer Einarbeitung auf dem Heimturnier mit der Software von Peter Janssen rechnete. Es blieb nicht bei dem einen Turnier, denn zunächst in Vertretung und später regelmäßig, war nun auch Theo Nothofer Teil des Teams der Rechenstelle. Zu dem Duo gesellte sich 1998 auch noch Andreas Wetzels aus Rheurdt, sodass das Trio nun auch größere Veranstaltungen und häufigere Einsätze stemmen konnte.

Nachdem Andreas Wetzels 2008 durch berufliche Verpflichtungen aus dem Team ausschied, kamen 2017 Jens Kleinmanns sowie Peter Janssen Junior hinzu. Während Jens programmiert, häufig in der Meldestelle sitzt und rechnet, kümmert sich Peter Junior eher um die Akquise und Koordination von Veranstaltungen sowie die Kommunikation mit den Veranstaltern. Als ,,gute Seelen“ der Meldestellen kennen viele Buschreiterinnen und Buschreiter Anna Stenpaß und Sabine Neu. Auch Celina Nothofer sitzt, wenn es die Zeit erlaubt, mit in der Meldestelle und unterstützt das Team wo sie kann. Da die Rechenstelle seit vielen Jahren längst nicht nur noch in Deutschland Turniere betreut, gibt es mittlerweile in Belgien und Irland noch einzelne ,,Außendienstler“, die die Rechenstelle sporadisch bei Bedarf unterstützen und teilweise auch helfen, um sprachliche Barrieren zu kompensieren. Insbesondere in Belgien sprechen viele Reiter und Veranstalter Französisch, sodass eine zusätzliche Unterstützung immer willkommen ist. Meist zu zweit und manchmal zu dritt wird vor Ort auf den Turnieren gearbeitet. Beim internationalen Vielseitigkeitsturnier in Tattersalls konnten die Veranstalter es gar nicht glauben, als die Rechenstelle lediglich zu dritt auflief und so die komplette Ergebnisberechnung für das riesige Turnier übernahm. Bemerkenswert ist auch, dass alle Mitarbeiter der Rechenstelle diesem Projekt ausschließlich nebenberuflich nachgehen und unter der Woche ihre festen Jobs in verschiedensten Branchen ausüben. Das heißt also auch, dass sie sich für große Turniere, die bereits Mittwoch, Donnerstag oder Freitag beginnen, regulär Urlaub nehmen müssen. Doch eines haben alle Mitarbeiter des Teams Rechenstelle gemeinsam: Sie alle waren bzw. sind dem Reitsport auch außerhalb ihrer Arbeit bei der Rechenstelle verbunden und sitzen bzw. saßen auch selbst im Turniersport im Sattel.

In etwa 30 – 35 internationale Veranstaltungen betreut die Rechenstelle in einer Saison. Vor einigen Jahren übernahm das Team auch noch einzelne Meldestellen bei Dressur- und Springturniere in der ,,Nachbarschaft,“ aber nun liegt der Fokus voll und ganz auf der Vielseitigkeit. Die rechenstelle ist übrigens einer der wenigen Anbieter, die von der Fédération Équestre Internationale (FEI), der internationalen Dachorganisation des Pferdesports, als „Scoring Provider Eventing“ zertifiziert ist. Durch das eigene Programm kann bei Regeländerungen seitens der FN oder FEI flexibel reagiert werden, sodass neue Anforderungen einfach implementiert werden.

Was für ein hohes Ansehen die verhältnismäßig kleine GbR vom beschaulichen Niederrhein mittlerweile international hat, zeigt sich beispielsweise auch daran, dass die FEI auf die Rechenstelle zukam, als für die Olympischen Spiele in Tokio ein neuer Bewertungsmodus benötigt wurde, da die Reiter nach der Dressur noch ausgetauscht werden konnten. Also erstellte die Rechenstelle im Auftrag der FEI einen Test Nationscup, bei dem verschiedene Koeffizienten getestet wurden, bevor eine endgültige Entscheidung getroffen wurde. Jedoch betont Theo Nothofer: ,,Wir machen nicht die Änderungsvorschläge, sondern wir sind dafür da, Neuerungen technisch umzusetzen und auszuprobieren.“ Aufgrund ihrer Flexibilität ist die Rechenstelle häufig dann gefragt, wenn spezielle Bewertungssysteme eingesetzt werden sollen. So übernahmen sie beispielsweise die Meldestelle bei den Ländlichen Europameisterschaften oder bei Vierkämpfen. Interessanterweise scheint jedoch nicht das Rechnen am Ende einer Prüfung die größte Herausforderung zu sein, sondern all das was geklärt sein muss, bis das erste Pferd auf die Mittellinie abwendet: ,,Die größte Konzentrationsübung ist eigentlich das Erstellen der Starterlisten. Es ist eine Herausforderung bei 300 bis 400 Starts und vielen Profis mit mehreren Pferden in verschiedenen Prüfungen, alle Startzeiten so zu legen, dass jeder genug Zeit für die Vorbereitung auf seinen Start hat. Das Eingeben der Dressurbögen usw. dagegen ist eher eine Fleißaufgabe.“

Mittlerweile kennt das Team die Meldestellen und Turnierplätze in Europa und darüber hinaus: 2006 übernahmen sie die Disziplin Vielseitigkeit bei den WEG in Aachen und auch danach waren sie in Kentucky 2010, Tryon 2018 und Pratoni del Vivaro 2022 verantwortlich. Auch die neue 5* Prüfung in Maryland (USA) wurde von der Erstausrichtung 2021 an von der Rechenstelle betreut. Obwohl England als Mutterland der Vielseitigkeit eigentlich seine eigenen Dienstleister für die Meldestellen hat, konnte die Rechenstelle die mittlerweile durch die Corona-Pandemie wieder eingestellte Event Rider Masters Serie übernehmen und auch bei der Pony EM in Bishop Burton 2010 sowie 2003 bei der EM im irischen Punchestown waren sie vor Ort. Mittlerweile ist der Gründer der Rechenstelle, Peter Janssen, offiziell Rentner. Jedoch ist er immer noch häufig am Wochenende auf den Veranstaltungen in ,,seiner“ Rechenstelle anzutreffen und arbeitet weiterhin mit dem Team zusammen: ,,Im August oder September, wenn es Schlag auf Schlag geht, dann stöhnt man auch schonmal, aber spätestens im Januar scharrt man dann doch wieder mit den Hufen und freut sich wenn es endlich weitergeht!“

Wir bedanken uns beim Team Rechenstelle für das interessante Interview. Vielen Dank, dass es euch gibt und dass ihr Woche für Woche so unaufgeregt, stets freundlich und kompetent euren Job für uns erledigt!

Die rechenstelle

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