Wenn man Kinder hat, dann ist die eigene sportliche Karriere vorbei? Dass dem bei Weitem nicht so ist, demonstrierten die drei deutschen Top-Reiterinnen (und Mütter) Anna Siemer, Katharina Meyer und Ingrid Klimke in Sopot, wo sie in der schwersten Prüfung des Turniers, der CCI4*-L die Plätze 1-4 belegten. Außerdem wurde Ingrid Klimke mit Cascamara in der CCI4*-S Zweite. Liv Elin Gunzenhäuser und Chanel gewinnen die CCI3*-S.
Fit und fröhlich präsentierte sich die mittlerweile 17-jährige FRH Butts Avondale (Züchter & Besitzer: Prof. Dr. Volker Steinkraus) im polnischen Sopot. Mit einem FOD (Finish on Dressage Score) sicherte sich die blutgeprägte Hannoveranerstute den dritten 4*-Sieg in ihrer Karriere und den ersten in einer langen 4*-Prüfung. -30,7 Punkte lautete das Ergebnis im Dressurviereck. Zu diesem Ergebnis sollten im Laufe des Wochenendes keine weiteren Minuspunkte hinzukommen. Damit erfüllt nun auch FRH Butts Avondale die formellen Qualifikationsanforderungen für die olympischen Spiele in diesem Jahr. Anna Siemer betreibt in Luhmühlen einen Turnierstall und bildet immer wieder junge Pferde von der Pike auf aus und begleitet sie mit ihrem Team über die ersten Turnierstarts bis in den internationalen Sport. Doch die Nachmittage gehören regelmäßig ihren beiden Kindern, dem 10-jährigen Henry & der 7-jährigen Carlotta, die mittlerweile mit ihren Ponies die Reitplätze in und um Luhmühlen unsicher machen. Dennoch schafft sie das Kunststück, mit Unterstützung ihres Teams und ihrer Familie das Familien- und das Leistungssportlerleben unter einen Hut zu bringen.
Noch deutlich kleiner ist der Nachwuchs der Zweitplatzierten Katharina Meyer (ehemals Tietz). Familienzuwachs Hugo kam im Juli 2023 auf die Welt und bereichert nun das Leben der ambitionierten Reiterin aus Luhmühlen. Dennoch ist die junge Mama bereits seit Herbst letzten Jahres mit ihren beiden Pferden Aspen T und Chapeau Claque wieder international unterwegs. Nach erfolgreichen Runden in der CCI4*-S in Strzegom vor wenigen Wochen, konnte Chapeau Claque (Züchterin: Monika Tietz; Besitzerinnen: Monika Tietz & Reiterin) an diesem Wochenende in Sopot nun die formelle Olympiaqualifikation für Paris 2024 erreichen. Die beiden lieferten mit -30,5 Punkten das drittbeste Ergebnis im Dressurviereck ab. Mit einer fehlerfreien Geländerunde gingen sie als Overnightleader in das abschließende Springen und beinahe hätte es für den ersten 4*-L Sieg gereicht, aber um Haaresbreite verpassten sie die einzuhaltende Zeit im Parcours und 0,4 Strafpunkte für eine Sekunde Zeitüberschreitung und -30,9 Punkte warfen sie hinter Siemer zurück auf Platz 2.
Ebenfalls ein ,,Comeback” bei den langen Prüfungen nach Maß feierte Ingrid Klimke mit ihren beiden braunen Stuten SAP Asha P (Züchter: Pietscher Gbr; Besitzer: Dr. Lauber & Reiterin) und EQUISTROS Siena Just Do It (Züchterin: Anke Just; Besitzerin: Reiterin) auf den Plätzen drei und vier in der CCI4*-L. Beide Stuten erfüllen somit nun ebenfalls die formellen Qualifikationsanforderungen für die olympischen Spiele in Paris im Sommer. Das beste Dressurergebnis der Prüfung erzielte die 13-jährige SAP Asha P mit -26,4 Punkten. 5,2 Strafpunkte für Zeitüberschreitung kamen im Gelände hinzu und beim abschließenden Parcoursspringen am Sonntag blieben alle Stangen liegen. Platz 2 nach der Dressur ging an Ashas Stallkollegin EQUISTROS Siena Just Do It mit -29,7 Punkten. Zwei Strafpunkte für fünf Sekunden Zeitüberschreitung, sowie ein Abwurf und 2,4 Strafpunkte für Zeitüberschreitung im Parcours mussten diesem Ergebnis noch hinzugefügt werden, sodass das Endresultat -38,1 Punkte betrug. Als nächstes sollen die beiden Stuten laut Klimkes Turnierkalender auf ihrer Homepage Ende Juni in der 4*-Kurzprüfung in Strzegom an den Start gehen. Ingrids zwei Töchter Philippa und Greta Busacker sind schon deutlich größer als die von Anna Siemer und Katharina Meyer und bereits selbst national und international im Dressurviereck und auf der Geländestrecke äußerst erfolgreich, was jedoch auch zusätzliche logistische Herausforderungen und Termine im ohnehin straff getakteten Kalender von Mama Ingrid mit sich bringt.
Einen 4*-Einstieg nach Maß feierte Cascamara (Züchter: Helmut Bergendahl; Besitzerinnen: Reiterin & Claudia Lauber) mit ihrer Ausbilderin Ingrid Klimke. -44,8 Punkte bedeuteten Platz 2 in der mit 18 Paaren besetzten Prüfung. Die nun 10-jährige Stute hat einen beeindruckenden Horse Record bei internationalen Prüfungen auf der FEI Seite vorzuweisen: Bei bisherigen 22 internationalen Starts konnte sie sich 18 Mal in den Top 10 platzieren. Mit -33,6 Punkten startete das fast 1000 Kilometer angereiste Duo aus Münster von Platz drei aus in den Wettbewerb. Im Springen kamen 2,4 Punkte für Zeitüberschreitung hinzu. Im Gelände addierten sich weitere 8,8 Strafpunkte für Zeitüberschreitung zum Ergebnis. Jedoch bedeutete dies auf der 3810 Meter langen Geländestrecke immer noch die zweitschnellste Zeit des Tages.
Es siegte der spanische Olympionike Francisco Gavino Gonzalez mit dem 10-jährigen Hengst Ultrasource del Cerro und -43,1 Punkten.
Über ihren zweiten 3*-Sieg freuen konnte sich Liv Elin Gunzenhäuser mit Chanel (Züchter: Gestüt Fohlenhof; Besitzerin: Marion Gunzenhäuser). Nachdem Gunzenhäuser bereits in der vergangenen Woche in der CCI2*-S in Sopot an den Start gegangen war, startete sie nun beim zweiten Teil der Spring Tour mit ihren beiden Pferden Callisto und Chanel eine Klasse höher. Eine neue persönliche Bestleistung in der 3*-Dressur von -23,8 Punkten verschaffte dem Paar aus Baden-Württemberg einen komfortablen Puffer auf die Konkurrenz, den sie jedoch nicht ausschöpfen mussten, da sie im Parcours und im Gelände fehlerfrei blieben. So gewannen sie schlussendlich mit über 5 Punkten Vorsprung. Auch mit Callisto R platzierte sie sich in der Prüfung. -34,4 Punkte bedeuteten im Gesamtklassement Platz 8.
Platz drei ging an Anna Siemer mit der 8-jährigen Hannoveranerstute Pirate Smile (Züchter: Mathias Behr; Besitzer: Detlev Elgeti) mit -29,5 Punkten. Die Stute war im vergangenen Jahr bei der WM der 7-jährigen Vielseitigkeitspferde in Le Lion D’Angers am Start und beendete das anspruchsvolle Gelände dort ohne Hindernisfehler. An diesem Wochenende erreichten sie -28,3 Punkte in der Dressur, was das bisher beste Dressurergebnis für ,,Pira” auf 3*-Niveau bedeutet. Im Parcours blieben sie fehlerfrei und im Gelände kamen lediglich 1,2 Strafpunkte für drei Sekunden Zeitüberschreitung hinzu.
Nur sechs Paare, darunter keine deutschen, gingen in der CCI3*-L an den Start. Es siegte der Finne Axel Lindberg mit dem 10-jährigen finnischen Warmblut Bonapartis mit -41,8 Punkten.
Nach Schweden ging der Sieg in der CCI2*-L. Hier gewann der Championatsreiter Ludwig Svennerstal mit dem 8-jährigen MH Libbysaurous Rex und -37,4 Punkten. Unter den zwölf Starterpaaren waren ebenfalls keine deutschen Teilnehmer.
Weit angereist nach Sopot war der Sieger der 2*-Kurzprüfung. Dennis Huits aus den Niederlanden gewann mit Perservance Luxery From Second Life Z und einem deutlichen Vorsprung von -28,7 Punkten. Auch in dieser Prüfungen ritten keine deutschen Teilnehmer um die vorderen Platzierungen mit.
Fotos mit freundlicher Genehmigung von Karl Lohrmann
